Dienstag, 13. April 2010

So geht Demokratie in Deutschland

Deutschland ist eines der bevölkerungsreichsten Länder der Erde, steht mit seinen über 82 Millionen Einwohnern an Platz 14. Von diesen sind rund 62 Millionen wahlberechtigt. Zuletzt haben sich 27 Parteien zur Bundestagswahl gestellt, von denen nur 7 über 2% der Wählerstimmen für sich entscheiden konnten. 3 Parteien nehmen für sich den Begriff Volkspartei in Anspruch, meinen also, dass nahezu jeder sie aus irgendeinem Grunde wählen kann. Das sind die CDU, SPD und CSU. Die anderen Parteien werden Klientelparteien genannt, weil sie eine bestimmte Wählerschaft ansprechen. Die FDP die Vermögenden und "die Wirtschaft", die Grünen die Umweltschützer und Abrüster, die Linke die Arbeiter, Armen und Linksintelektuellen und die Piraten die Internetgemeinde. Nur die Parteien, welche die bundesweite bei der Zweitstimmenauszählung die 5% Hürde nehmen oder es in mindestens 3 Wahlkreisen auf ein Direktmandat bringen, kommen in den Bundestag und können dort eine sogenannte Fraktion bilden. Ein einzelner parteiloser Abgeordneter kann auch direkt in den Bundestag gewählt werden und zwar über die Erststimme. Dieser wird dann fraktionslos sein.
In der Regel hat der Bundestag 612 Abgeordnete, durch sogenannte Überhangmandate können es durchaus auch über 620 werden. Auf dieses Detail möchte ich aber in diesem Zusammenhang nicht eingehen. Etwa die Hälfte der Abgeordneten wird im direkt über einen der 299 Wahlkreise in den Bundestag geschickt, die anderen kommen über die Landeslisten der Parteien. Ein guter Platz auf der Landesliste ist in der Regel Parteigranden vorbehalten, die sich über viele Jahre verdient gemacht haben. Neue Leute kommen meistens auf die hinteren Plätze.
Fast ein Viertel der Abgeordneten sind Juristen, 13,5% sind Lehrer und jeweils fast 5% Volkswirte, Politologen oder Beamte. Über die Hälfte der Abgeordneten kommt aus nur 5 Berufsfeldern. Nur etwas unter einem Drittel der Abgeordneten sind Frauen und wenn es um das Alter der Volksvertreter geht, dann liegt dieses mit etwa 50 Jahren rund 8% über dem deutschen Durchschnittsalter von 42 Jahren. Nur knapp über 2% der Abgeordneten sind unter 30 Jahre alt.

Die Wahlen zum Bundestag werden alle 4 Jahre abgehalten. Die Parteien präsentieren ihre Wahlprogramme, schalten Werbung, touren durch Bierzelte und sprechen an öffentlichen Plätzen (Merkel kommt ...). Der Wahlbürger guckt sich die Programme in der Regel nicht an, verteilt seine Sympathien und geht zur Urne. Dort angelangt darf er seine Erststimme (Direktkandidat) und seine Zweitstimme (Landesliste) vergeben. Meistens hat der Wähler sich zu diesem Zeitpunkt kaum mehr als eine Stunde mit der Person des Kandidaten beschäftigt. Verschiedene Zeitschriften bieten Wahlhilfen, z.B. den Wahl-o-Mat an, welche meist spielerisch zu Rate gezogen werden.
Auf jeden Fall werden jetzt 2 Kreuze gemacht, die den politischen Willen des Ankreuzenden auf 4 Jahre auf Gedeih und Verderb binden. Das Beste dabei ist: Die Wahlprogramme oder Wahlversprechen müssen nicht eingehalten werden. Obwohl der Wähler möglicherweise auf Grund des Wahlprogrammes bzw. der Wahlversprechen für einen Kandidaten und eine Partei entschieden hat, sind die Abgeordneten hinterher ziemlich frei in ihren Entscheidungsfindungen. Hinzu kommt, dass es in Deutschland üblich ist in geschlossenen Fraktionen abzustimmen. Das bedeutet, dass alle FDP Abgeordneten in der Regel stromlinienförmig gleich wählen, genau wie die CDU, CSU, SPD, Grünen oder Linken Vertreter. In einer Koalition können so ausgewiesene Minderheitsanliegen plötzlich ein Mehrheitsvotum bekommen. Auch wenn wirklich außergewöhnliche, nie da gewesene Dinge passieren, sind wir dem Gestaltungswillen und Urteilsvermögen der Gewählten ausgeliefert.
Und so kommt es dass: Eine Bank innerhalb weniger Wochen mit über 100 Mrd. Euro vor der Pleite gerettet wird, Soldaten nach Afghanistan versandt werden, Laufzeiten für Atomkraftwerke verlängert werden, den Hotels in Deutschland einfach 12% der Mehrwertsteuer geschenkt werden und einem Partnerland aus der Eurozone 8 Mrd. Euro Entwicklungshilfe versprochen werden. In Deutschland per Internet, Telefonmarketing, Knebelverträgen in Fitnesscentern, bei Banken, Versicherungen, Paybackkarten, Tankstellen, Telekomanbietern mit Hilfe des Gesetzes systematisch Abzocke betrieben werden kann.
Die Liste der Entscheidungen, welche mit größter Wahrscheinlichkeit von einer Mehrheit der Deutschen rundheraus abgelehnt würden, würde viele Seiten füllen.
Wir stehen ohnmächtig am Spielfeldrand und müssen uns damit zufrieden geben, dass die Macher demokratisch legitimiert sind und wir schließlich auch anders hätten wählen können.

Und spätestens jetzt fragen wir uns: Geht es auch anders? Was ist unsere Demokratie wert? Wer macht wirklich die Politik, wenn es so viele dubiose Entscheidungen gibt? Warum wird mir immer wieder erzählt, dass ich zum Mitwirken doch in eine Partei eintreten könne. Warum muss ich mich einem dieser Vereine anschließen, um gemeinsam mit anderen Bürgern meine demokratischen Interessen wahrzunehmen? Warum gibt es keine direkte Demokratie, wo ich zu den jeweiligen Fragen Stellung beziehen kann?

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