Dienstag, 29. Juni 2010

Bestimmung des neuen Bundespräsidenten

Heute wird der neue Bundespräsident bestätigt. Nach dem Abgang des auch seinerzeit von Kanzlerin Merkel bestimmten Horst Köhler, hat sie sich, nachdem dieser von ihrer eigenen Politik vergrätzt recht überraschend sein Amt abgegeben hat, für einen neuen Mann entschieden. Christian Wulff ist Noch-Ministerpräsident von Niedersachsen. Ein Mann, der klar über den Parteien steht und aus dieser Neutralität heraus einer der Besten ist, um alle Deutschen in diesem hohen Amt zu vertreten. Ein skandalloser Politiker mit Charakterfestigkeit. Sein Name steht für Integration, hat er doch als erster eine türkischstämmige Muslimin -wir lassen es uns auf der Zunge zergehen: Frau, jung und Nicht-Christin- zur Ministerin gekürt. Und er zeigt, wie ein Agrarbundesland wie Niedersachsen ganz ohne Agrarindustrielobby auskommt. Mit Weitblick hat er die Lobby direkt auf den Chefsessel der Landwirtschaftsministerin gehoben. Frau Grotelüschen ist Besitzerin mehrerer Geflügelfarmen (im Volksmund Hühner-KZ), hat aber versprochen sich auch für die Biobranche einzusetzen. So wurden profilaktisch 9 Bioeierhöfe wegen Futterverunreinigung geschlossen (http://tinyurl.com/35gvdgo). Ausserdem weiß sie und damit auch unser nächster Bundespräsident, dass die Aussaat von Genmais für Mensch und Tier völlig gefahrlos ist (http://tinyurl.com/37kluz9). Bei soviel Vertrauen können auch wir vertrauen, nicht wahr? Und noch eine Kleinigkeit. Herr Wulff hat kurz bevor er nach Berlin wechselt noch eben die Abgeordnetendiäten im niedersächsischen Landtag um 7,2% angehoben. Er ist damit noch weit unter der Empfehlung einer unabhängigen Komission geblieben und das muss anerkannt werden.
Kommen wir nun zurück zur heutigen Bestätigung. Die sogenannte Bundesversammlung, eine Art Althing, der sich aus den Bundestagsabgeordneten, Ländervertretern und Gesandten von verschiedenen Verbänden zusammensetzt wird nun heute Frau Merkel das ok für ihre persönliche Wahl geben. Die sogenannten Wahlmänner werden sich in demokratischer Mehrheitsfindung für den Herrn Wulff entscheiden. Gut zu wissen, dass die CSU wie ein Mann hinter dem Kandidaten steht und es in Bayern keine Abweichler geben wird. Ein wichtiges Signal, welches der gleichsam bestimmte und keinesfalls gewählte Demokrat Horst Seehofer dem Niedersachsen aus München mit auf den Weg gibt.

Wenn wir doch nun schon wissen, wie das ganze Theater ausgeht, warum muss diese ominöse Bundesversammlung dann noch zusammen kommen? Weil diese die Entscheidung der Bundeskanzlerin demokratisch legitimieren muss. Nur die Bundesversammlung kann das Pick von Frau Merkel für das höchste in der Bundesrepublik zu vergebende Amt im Namen des Volkes absegnen.

Und jetzt ist mir ein Wort rausgerutscht, welches hier eigentlich nichts zu suchen hat: Volk. Griechisch Demos. Das Volk kommt nämlich überhaupt nicht mehr vor. Alle vier Jahre spinnen uns die Politiker und Parteien aus allen Rohren voll, investieren Abermillionen in lächerliche Kampagnen und lassen sich in einer Momentaufnahme vom wählen. Skandale werden vertuscht (Tanklasterbombardierung, usw.), unangenehme Entscheidungen aufgeschoben (Krankenkassenbeitragserhöhung, u.ä.) und die Schminke zentimeterdick aufgetragen. 15% der Sitze gingen beim letzten Mal an die Steuersenkungspartei FDP. Genau die Hotelsteuer ist auf den ermäßigten 7%igen Steuersatz gesenkt worden und heute steht die Partei nach letzten Umfragen bei nurmehr 4% in der Wählergunst. Die CDU/CSU kam auf knapp 35%, hat aber noch 3% Überhangmandate in den Schoß gelegt bekommen und so hat es dann für die Mehrheit gereicht. Heute würden 32% der Wähler schwarz ankreuzen.
Gehen wir einen Schritt weiter und betrachten wir die der Politikverdrossenheit geschuldete niedrige Wahlbeteiligung von nur 72,2%, dann kann von "Mehrheit" gar keine Rede mehr sein.

Und so lassen sich am heutigen Tag verschiedene Parallelen ziehen.
1. China. In der Volksrepublik werden die höchsten Ämter an verdiente Parteiangehörige vergeben. Der Konsens einer kleinen Führungskaste ist ausreichend.
2. Die Kanzlerwahl von 1933, bei der der siegreiche Kandidat keineswegs die Mehrheit der Deutschen hinter sich hatte. So wurde der Mann von oben eingesetzt.
3. Der Iran, wo ein in unseren Augen moderater und eher versöhnlicher Kandidat Rezai keine Chance auf den Sitz hatte.
4. Zimbabwe. Robert Mugabe schert sich einen Dreck um die Anliegen seines Volkes. In der Momentaufnahme seiner Wiederwahl hat er sich an der Spitze des Landes bestätige lassen.
5. Griechenland. Dem Geldadel und der politischen Kaste geht es bestens. Das protestierende Volk wird als anarchisch, antidemokratisch und europafeindlich abgetan.
usw., usw.

Heute sind wir ganz unten angelangt. Das Land kriecht auf Castingshow-, Peter Zwegat- und Achtung-Kontrolle-Niveau. Auf allen vieren laviert sich das Land durch die Krise. Alles was irgendwie falsch gemacht werden kann wird getan und sich hinterher auf die Schultern geklopft.
Da lobe ich mir China, den Iran, Venezuela, Bolivien und eine Reihe andere auf den ersten Blick wenig demokratische Veranstaltungen. Unter dem Strich gilt aber leider: Die politische Führung dieser Länder nimmt entgegen den Oligarchen um Frau Merkel keine Hypotheken auf die Lebens-, Bildungs- und Erfolgsaussichten der nächsten 5 Generationen auf. Die Bevölkerung wird nicht auf die nächsten 100 Jahre in den Gips von Entscheidungszwängen gelegt.

Nun möchte keiner die politischen Verhältnisse eines dieser Länder für die Bundesrepublik. Bei dem Vergleich bleibt aber eine Moral: Wenn wir denn eine Demokratie haben, dann müssen wir diese auch aktiv leben und ausüben. Und als Bundesrepublik Deutschland dürfen wir es uns herausnehmen eine Vorbildfunktion für die Welt zu versuchen. Organisatorisch und technologisch ist es möglich an der Politik, aber nicht an Parteienfilz, interessierten Bürgern bei allen wegweisenden Entscheidungen eine Stimme zu geben. Und auch wenn wir 72,2% Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl in 2009 als niedrig empfinden, so handelt es sich doch um die überwiegende Mehrheit der Wahlberechtigten, die den Weg zur Urne gefunden haben. Die große Mehrheit ist bereit an den Weichenstellungen unseres Landes mitzuarbeiten. Wir sind das Volk und wir wollen unseren Bundespräsidenten direkt wählen. Wir wollen auch unseren Kanzler direkt wählen und wir wollen bei allen wichtigen Entscheidungen einbezogen werden: Sozialpolitik, Familienpolitik, Bildungspolitik, Entwicklungshilfe, Bundeswehr im Ausland, Energiepolitik, Schuldenkrise und allen anderen. Die Abstimmung über das Rauchverbot ist noch die kleinste einzufordernde Entscheidung. Wir, das Volk, wollen Weichen stellen. Wir werden alle 4 Jahre aufs neue belogen? Egal, denn wir können direkt mitentscheiden. In Volksabstimmungen können wir unsere Politik auf Kurs bringen. Wann ist es endlich soweit? (http://tinyurl.com/2vxqxtk)